Goldwaage und Apfelhackerei
von Redaktion

Das Leben auf der „Jugend 2“

Wer hier ist, hat in der Regel ein Problem mit dem Essen. Und starkes Untergewicht. Hier dreht sich darum alles um die Gewichtszunahme: Sechs Mahlzeiten pro Tag sind die Fixpunkte des Tagesablaufs. Die halbe Stunde Essenszeit kann für den einen oder anderen schon mal zur Herausforderung werden, wenn jeder Hinweis auf ein anorektisches Essverhalten von den Betreuer*innen auf die Goldwaage gelegt und analysiert wird.

Das reicht von der Löffelgröße bis zur Apfelhackerei, denn winzige Bissen sind ein typischer Teil des Krankheitsbildes. Doch wie sieht so ein Tag in der Klinik außerhalb des Essens aus? Logischerweise findet viel im Sitzen statt, um den Prozess der Gewichtszunahme zu beschleunigen. Dennoch kommt mit der Zeit der eine oder andere Programmpunkt hinzu: Von der wöchentlichen Kochgruppe über die Ergo-und Kunsttherapie bis hin zu Yoga und Einzelgesprächen mit der Psychotherapeutin füllen sich die 24 Stunden rasch. Ergänzt wird das Ganze durch Besuche von Eltern und Geschwistern, gelegentliche Schulstunden und abendliche Fernsehabende.

Und ansonsten? Geht es vor allem um die Beschäftigung mit sich selbst bzw. den anderen Patienten. Die viele Zeit zur freien Verfügung weckt Erinnerungen an die doch nicht so lang zurückliegende Kindheit: Da werden Disney-Puzzle hervorgekramt, neue Kartenspiele ausprobiert und man greift auch mal wieder zum Buch oder zur Bastelschere.

Es ist ein Ausbruch aus dem Alltag, mit dem die zurzeit elf Patientinnen nicht alleine zurecht kamen. Die Klinik bietet ihnen die Möglichkeit, zunächst zu ihrer körperlichen und später zu ihrer psychischen Gesundheit zurückzufinden und dabei zu lernen, dass die Zahl auf der Waage nichts über den eigenen Wert aussagt.

von Michaela (17) Gymnasium, Lerngruppe Kohlhase

04/2021

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